Essen, Schlafen, Drogen, Sex
Aus dem Darmstädter Institut zur Erforschung von Angelegenheiten:
Joppo's boulistische Betrachtungen (Essay 1)
Anmerkungen zu einigen somatischen Aspekten für zuverlässiges Kugelwerfen
Entrée - Prélude
Was das Futtern bei Turnieren anlangt, soll zunächst eine regelmäßige Beobachtung zum Besten gegeben werden, die erstaunt: selbst erfahrene SpielerInnen machen immer wieder den Fehler, zwischen den Partien richtig große Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Insbesondere, wenn sie keine Barrage oder
Cadrage spielen müssen, machen sie es sich gemütlich und hauen richtig rein.
Dass die anschließende Verdauungsarbeit den Körper Kraft kostet, müde macht und insbesondere die Wachheit trübt, hat sich noch nicht weit herumgesprochen. Richtig wäre es, am besten nach jedem Spiel eine kleine Mahlzeit zu sich zu nehmen und auf die gute Verdaulichkeit zu achten, d.h. sie sollte fett- bzw. cholesterinarm sein und reich an Ballaststoffen.
Kleine belegte Brote (mit Roggenschrot besser als ohne) mit einer Gurke oder Tomate sowie Säfte sind bis zum frühen Nachmittag erfahrungsgemäß eine gute Wahl für gleichbleibende Konzentration. Grob gesagt ab Viertelfinale sei lediglich Obst empfohlen - eine Banane oder ein Apfel nach jedem Spiel, und deine Vigilanz und optisch-motorische Koordination wird der des Gegners überlegen sein.
Wenn das Turnier nach und nach ziemlich anstrengt, z.B. durch lange, an den Nerven zehrende Partien, ist Schokolade kein schlechter Tipp. Sie macht sich als anerkannte Muskel- und Nervennahrung nützlich, die Bewegungsabläufe werden wieder flüssiger.
Schlafen
Auf die Gefahr hin, irgendwelchen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zu entsprechen, sei für die Nacht vor einem Turnier kein allzu üppiges Ausschlafen empfohlen.
Dieser Rat darf allerdings nicht mit einer Aufforderung zum fröhlich feuchten Feiern bis wenige Stunden vor Turnierbeginn verwechselt werden.
"Zu gut" ausgeschlafen zu sein, mag für die physische Belastung von sieben bis acht Partien genug Kraft geben, nur sorgt es bei vielen SpielerInnen dafür, daß es soweit gar nicht erst kommt. Gut ausgeschlafen zu sein, bedeutet nämlich bei vielen KugelwerferInnen gleichzeitig, viel Zeit zu brauchen, bis sich die nötige Vigilanz, die für erfolgreiches Spiel eine der wichtigsten Voraussetzungen ist, einstellen will.
Deshalb ist es ratsam, in den Tagen zuvor insgesamt kein Schlafdefizit anzusammeln, in der Nacht vor einem Turnier aber tendenziell unterdurchschnittlich lang (minus 1-2 Stunden) zu schlafen. So ist man schnell fit für die erste Partie und landet nicht unnötig gleich im C- oder B-Turnier, weil das erste Spiel bereits verloren ist, bevor man richtig zu sich kommt. Man erinnere sich auch an Deutsche Meisterschaften, bei denen das 1/16tel-Finale, d.h. das erste Spiel am Sonntagmorgen, regelmäßig für die größten Überraschungen gut ist. Wenn kein älteres Schlafdefizit mitgeschleppt wird, braucht man keine Angst zu haben, daß die Kraft zum Abend hin nicht mehr ausreichen wird.
Nikotin, Koffein
Physiologisch betrachtet haben alle Stoffe mit Suchtpotential
eine körperliche Funktionsweise, deren Logik man kennen
sollte. Bei Koffein und Nikotin ist unstrittig, daß sie auf der
Schiene Anspannung - Entspannung antizyklisch wirken.
Alltagssprachlich kann man das so verdeutlichen: immer, wenn
man zu aufgeregt ist (durch Ausschüttung von Adrenalin oder
anderer Botenstoffe), wirken Koffein und Nikotin kurzfristig
im Sinne einer Entspannung und immer wenn das Gegenteil der
Fall ist, daß man sich also schlapp oder müde fühlt, bringen sie
kurzfristig eine gewisse Munterkeit zurück.
Da der Körper immer danach trachtet, aus einem mittleren Erregungspotentials
heraus agieren zu können, ruft er bei Unter- oder
Überschreiten eines Levels nach Stoffen, die dafür taugen, ihn
wieder dorthin zurückzubringen. Normalerweise produziert
er sie dann selbst.
Wer ihm längerfristig durch Konsum
von Nikotin oder Koffein "beigebracht hat",
dass in solchen Fällen Hilfe von außen kommt,
sorgt dafür, dass der Körper die
Ausschüttung dieser Stoffe
vorübergehend "verlernt".
Anders gesprochen hat er so
die somatische Grundlage seiner
Sucht produziert.
Die komplexen emotionalen Situationen, die man
beim Turnierspiel kurzfristig durchlaufen kann, bieten
diesen Süchtigen ununterbrochen Anlässe, zur Kippe,
zum Kaffee oder zur Cola zu greifen. Physiologisch
betrachtet läßt sich nicht bestreiten, daß die Befriedigung
des entsprechenden Suchtbedürfnisses kurzfristig
die gewünschte Wirkung zeitigt.
Text
Alkohol
Was das Saufen anlangt, findet man - jedenfalls in
gedruckter Form - kaum Aufforderungen dazu, um
etwa die Turniertauglichkeit zu steigern. Informell
sieht das natürlich ganz anders aus. Welch hübsch
verpackte Begründungen müssen nicht alle für
eine Einladung zum Pastis oder Rouge morgens
um elf auf Boule-Turnieren herhalten!
Eine seriöse Auseinandersetzung mit den Wirkungen
von Drogen kann aber nicht umhin, festzustellen,
daß Leute, die sowieso regelmäßig viel oder
zuviel Alkohol konsumieren, große Probleme kriegen, wenn sie
unterhalb ihres üblichen Spiegels gute Kugeln spielen wollen.
Das ist empirisch nicht zu leugnen.
Jeder kennt in seiner näheren Umgebung wahrscheinlich mehrere
Spieler, deren Trefferquoten unter X Promille bescheiden
sind, über Y Promille rapide gegen Null tendieren,
zwischen X und Y aber beachtlich oder gar exzellent sind.
Das scheint, zumindest diesen Personenkreis betreffend, für
einen moderaten Alkoholkonsum zu sprechen.
Nicht, weil es mir schwer fiele, ein Tabu zu brechen, möchte
ich diesem Trugschluß energisch widersprechen. Kurzfristig
ist diese Drogenhilfe natürlich ungeheuer wirksam und für die
entspre-chenden Patienten extrem verführerisch. Die häufig zu
hörende Aufforderung "mach Dich locker" (nicht selten nach einem
grausamen Loch) ist ein in sich unauflösbarer Widerspruch,
der von Abhängigen gern als Begründung, erst einmal flink zur
Flasche zu greifen, verstanden wird. Diesem reflexhaften Griff
zur Flasche liegt leider Gottes eine physiologische Wahrheit
zugrunde, die zu leugnen unwissenschaftlich wäre: Alkohol
entspannt, zumindest wenn der Betreffende sich gerade auf
seinen mittleren Spiegel trinkt. Auf längere Sicht ist die zersetzende
Wirkung des Alkohols, nicht nur die Leber betreffend,
aber eine grausame.
Gerade die für erfolgreiches Pétanque so entscheidenden
Kompetenzen wie optisch-motorische Koordination, räumliches
Vorstellungsvermögen, soziale Wahrnehmung und
die Fähigkeit zum Pokern leiden unter Alkoholeinfluß beträchtlich.
Dagegen wird als Vorteil z.B. die Förderung eines "Tunnelblicks"
durch Alkohol ins Feld geführt. Natürlich wünscht so
mancher, sich gegen störende Einflüsse, etwa von Trotteln
auf Nachbarfeldern, durch Scheuklappen oder Vergleichbares
abschotten zu können. Der Tunnelblick würde helfen, funktioniert
allerdings nur bei den Alkis selber.
Das betrifft auch deren übrige Kompetenzen. Wenn weder
Entzugserscheinungen noch offensichtliche Gleichgewichtsstörungen
Regie führen, d.h. wenn sie auf ihrem persönlich
optimalen Suchtpegel sind, spielen sie tatsächlich besser. Für
die Abhängigen stimmt es also, dass ein kontrollierter Suff
vorübergehend hilfreich ist.
Leider unterliegt ihre Abhängigkeit aber auch einer weiteren
Gesetzmäßigkeit, nämlich derjenigen, dass sie aus sich
heraus dazu führt, diesen für`s Spielen "optimalen" Pegel zu
überschreiten, womit ihre Möglichkeiten der Bewegungskoordination
plötzlich wieder drastisch nachlassen. Das sind dann
die berühmten Patienten, die bis zum Achtel- oder Viertelfinale
Angst und Schrecken verbreiten können, danach aber plötzlich
ein Schatten ihrer selbst sind.
Kiffen
ist unter Boulomanen mindestens so verbreitet, wie in der Gesamtbevölkerung.
Für eine objektive Betrachtung verbietet es
sich natürlich, Kanabis im Unterschied zu Alkohol oder Tabak
anders zu würdigen, nur weil der Staat seinen Konsum für
strafwürdig hält.
Um es vorweg zu sagen: wenn es Gründe gibt, Kiffen unter Strafe
zu stellen, dann gäbe es ein vielfaches an Gründen, Alkohol
unter Strafe zu stellen. Wieviel tausend Frauen werden täglich
von ihren besoffenen Männern misshandelt? Wieviele Kinder?
Wieviele Verkehrs- und Arbeitsunfälle gehen auf das Konto des
Suffs? Wieviel Prozent unserer Krankenkassenbeiträge zahlen
wir nur deshalb, weil Saufnasen ihren Suff bzw. dessen Folgen
behandeln lassen müssen. Wie hoch ist der volkswirtschaftliche
Schaden, weil Suffköppe nicht mehr arbeiten gehen können?
Und - auch wenn es sarkastisch klingt - man muß gerechterweise hinzufügen: Enorm ist die Entlastung der Rentenversicherungskassen,
weil Alkoholiker deutlich früher ins Gras
beißen.
Dagegen sind Kiffer fast als Waisenkinder einzustufen. Nur bei
der Rationalisierung ihres Konsums sind sie irgendwie besser, als
ihre Mitbewerber aus der Alkoholszene. Mit dem Widerspruch,
dass es quasi zum guten Ton gehört, sich einen guten Tropfen zu
genehmigen, als Alkoholiker zu gelten aber quasi ein soziales
Todesurteil ist, brauchen sie sich nicht herumzuschlagen. Die
Verlogenheit des Staates und der Allgemeinheit im Umgang mit
dem Alkohol stellt sich ihnen sogar als Chance dar:
Die gesundheitlichen und sozialen Folgen der Kifferei sind
lange nicht so schädlich, wie die des Suffs. Die Illegalität ihrer
Droge macht zugleich ihren Charme aus, denn sie ist absurd im
Vergleich zum Alkohol. Kiffer können sich als die "Wissenden"
gegenüber der Obrigkeit und dem dumpfen Teil der Allgemeinheit
fühlen und schaffen sich gleichzeitig die augenzwinkernde
Solidarität all ihrer sanftmütigen Mitkiffer.
Überhaupt der Sanftmut: wie schön ist es doch, keinen Stress
auf einem Turnier zu bekommen. Das Motiv, Stress von sich
halten zu wollen, verrät im Umkehrschluß und unfreiwillig, daß
Kompetenzen, die im Wettkampf gefragt sind, nämlich unter
dem Druck eines guten Gegners die eigene Konzentration und
Koordination bewußt zu verbessern, schon aufgegeben worden
sind (die Wirkung von Kanabis kann individuell sehr verschieden
sein und muß nicht notwendig als Vermeidungshandlung
gewertet werden).
In der geschönten Wahrnehmung der Bekifften ist der Gegner
im Zweifelsfall ja auch ein Lieber und gegen einen Lieben zu
gewinnen oder zu verlieren, ist ja beides in Ordnung. Leider hält
diese Wahrnehmung über die Wirkungsdauer des letzten Joints
hinaus nicht unbedingt an. Dass Kiffen die Spieltauglichkeit
irgendwie dauerhaft fördern könnte, ist jedenfalls ein Märchen.
Im Gegenteil: wissenschaftlich ist unstrittig, dass regelmäßiges
Kiffen zu einer schleichenden Verblödung führt.
Sex
Was von den Sitten bei Fußballprofis kolportiert wird, nämlich dass sie vor wichtigen Begegnungen zur Enthaltsamkeit gezwungen werden, kann man beim Pétanque meinen empirisch vielleicht unwesentlichen Kenntnissen nach getrost missachten. Mir ist keine seriöse Untersuchung bekannt, die ergeben hätte, dass Sex, auch regelmäßiger, irgendwelche Schäden hinterlassen würde. Wenn es einschlägig vorbelastete BoulistInnen gibt, die sich dazu konkreter äußern könnten, allez-y, nur aufschreiben.
© Joppo (Darmstädter Institut zur Erforschung von Angelegenheiten)

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